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Workshop "Elbisch schreiben" von Dr. Helmut W. Pesch Bericht von Neniel Tindómerel |
"Elen síla lúmenn' omentielvo" - dieser berühmte Gruß Frodos an Gildor Inglorion ziert seit der Ring*Con 2003 meine Ausgabe des Buchs "Elbisch für Anfänger". Und nicht nur die meinige. Während seiner Signierstunde widmete Dr. Pesch diesen Spruch geduldig allen Interessierten, die sich an seinem Tisch eingefunden und die Freude hatten, den Autor beim sorgfältigen Zeichnen der Tengwar-Runen beobachten zu können. Die geschwungenen, ästhetischen Bögen der Widmung ließen die Vorfreude auf den für den nachfolgenden Tag angekündigten Workshop "Elbisch schreiben" in die Höhe schnellen.
Und so kam es dann auch, dass sich Sonntag vor dem "Bockenburg"-Raum
eine gehörige Menge Elben-, Menschen- und Hobbitvolkes eingefunden hatte (und
noch nie kam ich mir in meinem Ringgeist-Kostüm so fehl am Platze vor), viele
freudig, alle neugierig. Glücklicherweise wurden alle Wartenden eingelassen,
denn die Begrenzung der Teilnehmerzahl war aufgehoben worden. Die einzige
Einschränkung betraf den räumlichen Platzmangel, so dass zwar alle zuhören
konnten, doch "nur" gut zwanzig Personen aktiv an den Tischen Platz finden und
zu den bereitgestellten, abgeflachten Schreibfedern greifen konnten.
Was nun folgte, war sicherlich eine der anspruchsvollsten Veranstaltungen der Convention. Schon früh wurde bemerkbar, dass dieser Kurs zwar auch Anfänger mit einbezog, jedoch aufgrund der hohen Informationsdichte am ergiebigsten für diejenigen war, welche sich bereits eingehender mit der Materie (den Tengwarzeichen und elbischen Sprachen) auseinander gesetzt hatten. Für jene ergab sich auch reichlich Gelegenheit, Fragen zu stellen, welche von Dr. Pesch bereitwillig und pointiert beantwortet wurden. So schloss sich zumindest für mich manch lange bestehende Wissenslücke zu diversen Ausnahme- und Sonderregelungen der Elbenschriften.
Der vorliegende Bericht stellt natürlich lediglich eine gekürzte und stark vereinfachte Wiedergabe all dessen dar, was tatsächlich während des Workshops vermittelt wurde. Wer sich eingehender dafür interessiert, sei an das Buch des Autors verwiesen... ;-)
Am Beginn des Workshops stand die kalligraphische Anweisung: "Man
schreibe nie gegen die Feder", ein für viele neues Konzept. Mit den vom Autor
freundlich zur Verfügung gestellten, abgeflachten Schreibstiften bekamen wir
schon bald ein Gefühl für den neuen Schreibstil, in dem die Feder stets gezogen,
niemals jedoch geschoben werden darf. Wo sich die zahlreichen Bögen zu sehr
krümmen, wird die Feder abgesetzt und aus der entgegengesetzten Richtung
zurückgeführt. Es ist erstaunlich, welch einen Unterschied diese einfache Regel
im Schriftbild ergibt.
Dann ging es mit den grundlegenden Bestandteilen der Tengwar-Runen
weiter:
Den Trägern, den diakritischen Vokalzeichen, den diversen Bögen und
geschwungenen Linien - und stets einer genauen Demonstration ihrer graphischen
Anfertigung. Nun wurde es langsam komplizierter, folgte doch ein Crashkurs in
elbischer Rechtschreibung: Als "echte" oder "wichtige" Buchstaben werden nur die
Konsonanten betrachtet. Vokale nehmen in der elbischen Schrift eine
untergeordnete Rolle ein, was sich darin ausdrückt, dass sie keine
eigenständigen Buchstaben darstellen, sondern als diakritische Punkt-, Bogen-
oder Strichzeichen auf den Konsonanten platziert werden.
Wer sich zum ersten Mal mit den Tengwar-Runen konfrontiert sah, war erstaunt ob der vielen Sonderfälle
und Ausnahmen: angefangen mit der unterschiedlichen Schreibweise langer Vokale
im Gegensatz zu kurzen, über Trägerzeichen an Wortanfang, -mitte und -ende bis
hin zur Drehung/Spiegelung der Konsonant-Runen in Abhängigkeit der diakritischen
Vokalzeichen über ihnen.
Doch auch Fortgeschrittene lernten viel Neues,
beispielsweise Interpunktion, Frage- und Ausrufezeichen und nicht zuletzt
Verzierungsformen.
Es wurde auf unterschiedliche Schreibweisen eingegangen, denn Tengwar
ist bei weitem nicht gleich Tengwar. Immer abhängig von der jeweils verwendeten
Sprache ergeben sich unterschiedliche Schreibweisen, sei es nun Quenya oder
Sindarin - oder schlicht und ergreifend die Schreibweise Beleriands.
Ein Beispiel:
Im Quenya wird der Vokal (als diakritisches Zeichen) stets auf dem
vorhergehenden Konsonanten platziert. Dies ist insofern einleuchtend, als dass
Quenya eine vokalreiche Sprache ist, die häufig auf Vokalen endet.
Ganz im Gegensatz dazu das Sindarin, welches wortfinal häufiger Konsonanten verwendet;
hier werden die Vokalzeichen über den nachfolgenden Konsonanten geschrieben.
Doch all diese Klippen wurden sicher umschifft, nicht zuletzt Dank der
ausgeteilten Handouts, auf denen in Tabellenform die drei Tengwar-Alphabete
abgebildet waren.
In praktischen Übungen wurde das Gehörte übend in die Tat umgesetzt,
als wir fehlende Vokalzeichen in einen Tengwar-Text auf einem der drei Handouts
ergänzten. Voller Stolz auf unser (mehr oder weniger) erfolgreiches Ergebnis
wurden wir von Dr. Pesch auf das nächste Schlachtfeld geführt: zu den
Zahlzeichen.
Das listige Lächeln unseres Lehrers ließ Böses ahnen - und tatsächlich: die Zahlzeichen entpuppten sich nicht minder kompliziert als die Schriftzeichen. Angefangen damit, dass Tengwar-Zahlen von rechts nach links geschrieben und durch Spezialzeichen markiert werden, fällt vor allem der Abschied vom Dezimalsystem schwer: Neben der uns vertrauten Zehnerbasis rechnen viele Elben auch mittels Zwölferbasis. Beim Versuch, die Zahl "16" von rechts nach links im Duodezimalsystem zu schreiben, wurde schließlich unter fröhlichem Gelächter der Ruf nach einem Mathematiker laut...
In jeden guten Bericht gehört auch Kritik. Doch wie ich es auch drehe und wende, fällt mir dazu nur ein einziger Punkt ein: der Workshop war viel zu kurz! Ich gebe gern zu, dass ich selten dermaßen an den Lippen eines Dozenten gehangen habe wie in dieser leider allzu knappen Stunde, in der die Zeit wie im Fluge verging. Es bleibt zu hoffen, dass Herr Dr. Pesch auch nächstes Jahr wieder nach Bonn kommen und Vorlesungen und Workshops halten wird.
Entlassen wurden wir mit einem interessanten Hinweis des Autors: Wie vermutlich alle, die dies hier lesen, wissen werden, lautet ein Teil der Inschrift des Westtors von Moria:
"Die Tore Durins, des Herrn von Moria. Sprich, Freund, und tritt ein."
Gemeißelt wurden Tor und Gravur vom Zwergen Narvi, während die elbischen Worte von Celebrimbor stammen. Doch zum Zeitpunkt der Erschaffung des Westtors hießen Durins Hallen noch Khazad-dûm, d.h. "Zwergenbinge". Der Name "Moria" wurde erst nach Entdeckung des Balrogs gebraucht und bedeutet wortwörtlich "die schwarze Grube". Wie kann das nun sein?
Die augenzwinkernde Erklärung Dr. Peschs:
"Entweder hatte Celebrimbor eine prophetische Gabe - oder einen schwarzen Humor..."
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